Hallo, kennt sich jemand von euch näher mit der Geschichte der Wenden in Westsachsen aus? Sämtliche mir bekannten Quellen dazu sind sehr mager. In Westsachsen siedelten im Raum nordwestlich von Chemnitz und um Zwickau die Sorben (Soorbi). Diese wurden wohl schon um 800 von ihren christlichen Nachbarn unterworfen (oder teilweise unterworfen?). Ihre östlichen Nachbarn; die Daleminzer, Milzener, Lusitzer (ihre Nachfahren werden heute meist als Sorben bezeichnet, das hat aber nichts mit den Sorben in Westsachsen zu tun) usw. wurden erst in der Zeit nach 900 unterworfen und christianisiert. Schon über deren Geschichte ist nur wenig bekannt, bei den Sorben in Westsachen sieht es offenbar noch schlechter aus.
Meine Fragen zu eben diesen Sorben in Westsachsen wären: Gibt es Hinweise über ihre Götter und zu ihrer Religion? Wann wurden sie christianisiert? Gibt es noch irgendwelche Quellen zur Geschichte dieses Stammes? Ich kann dazu weder in der mir zugänglichen Literatur, noch im Netz etwas finden.
die Sorben sind Wenden, wie Du richtig schreibst. Die Wenden aber sind Wandalen. Das A wandelte sich bekanntlich zu einem E, auch in der nordischen Runenreihe wurde die Rune Ar zum AE und zum E. Aus Wandalen wurde Wendelen und natürlich verkürzt sich das zu Wenden. Als ein germanischer Stamm hatten die Wenden bis zur Christianisierung unsere Religion, das Alt-Heidentum. Wann nun genau die von Dir erwähnten Unterstämme christlich wurden, kann ich gar nicht sagen, die Geschichtsquellen erwähnen meist nur das Ende des Heidentums der Wenden oder die Gründung von Bistümern. Wenn man sich Zahlen ansehen will, die meist nur den Beginn der Missionierung bedeuten, dann diese:
919-939 erhielt Erzbischof Giselher die Grafschaft an der Mulde (Nebenfluß der Elbe) zu Lehen; 928 hatte Heinrich I. die Brennaborg erobert; 948 wurden einige Missionierungsbistümer gegründet: Havelberg, Brandenburg, Merseburg, Zeitz, Meißen, Oldenburg; 965 erhielt Kaiser Heinrich I. Gebiete zwischen Ohre, Elbe, Bode, Klein Oschersleben, an der Saale, Unstrut, Helme und Wallhausen; 968 Gründung des Erzbistums Magdeburg; 983 der große Wendenaufstand, der zwei Jahrhunderte das Heidentum wieder errichtete; 1066 Wendenaufstand im Gebiete der Obodriten; 1068 das Kultzentrum Rethra fällt; 1108 erster Aufruf zum Kreuzzug gegen die Wenden; 1147 zweiter Aufruf zum Wendenkreuzzug; 1157 die Brandenburg fällt durch Albrecht den Bären; 1168 das Kultzentrum Arkona fällt; 1171 das Heiligtum Asund auf Rügen fällt als letztes, offiziell genutztes Heiligtum;
Die Sorben blieben aber bis ins 13. Jh. heidnisch (nach Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, 1937, S. 55 - das Buch bei ZVAB oder E-bay für etwa 7 Euro), und die Heiden an der Saalequelle wurden erst im 14. Jh. getauft.
Nach dem Werk Sächsische Geschichte von C. G. Heinrich saßen die Sorben ursprünglich an der Weichsel und rückten dann im Jahre 534 als Kolonisten in den östlichen Teil des Meißnerischen Landes ein. Sie besaßen dann das Land zwischen Elbe und Saale; dieses wurde ihnen vom fränkischen König Siegbert zugewiesen. Den Franken war es damals gelungen, die Thüringer (Hermunduren) zu unterwerfen. Die Sorben gehören zu den Wenden, wie Geza ja schon schrieb, deswegen werden sie auch oft als Sorben-Wenden bezeichnet. Professor Christian Becman schreibt in seiner Historia:
>>Die Wenden (Vandali) ein altes Volck der Teutschen / so sich um die Ost-See herum gesetzt / wurde schon zur Zeit des Römischen Kaysers M. Antonini den Römern bekannt ... Sie wurden auch nachgehends Sclaven oder Sclavonier genannt<<
Übrigens habe ich gerade gelesen, daß der Name der wendischen Göttin Trigla in Wirklichkeit aus dem Griechischen kommt und ein Beiname der Mondgöttin Diana ist. Der mittelalterliche Geschichtsschreiber Eustathius schreibt, daß Diana einstmals Trigla genannt wurde. Auf dem Harlunger Berg in Brandenburg stand ja einst der Tempel der Göttin Trigla; sie wurde dort mit drei Gesichtern an einem Haupte oder auch dreihäuptig dargestellt und trug eine Mondsichel in ihren Händen. Diese Figur wurde übrigens dem dänischen König Christian II. geschenkt, ist aber heute verschollen. Vermutlich liegt in irgendeinem Gewölbe des Königsschlosses.
Herzlichen Dank für eure ausführlichen Antworten und die damit verbundene Mühe!
Das die Sorben erst so spät endgültig christianisiert wurden, hätte ich nicht gedacht. Und die Heiden an der Saalequelle müssten dann ja schon fast zu den letzten damaligen Heiden gehören, oder? Danke für den Buchtipp (Buch von Heussi ist bereits bestellt)! Schade das ausgerechnet von den Sorben offenbar keine Überlieferungen zur Religion bzw. zu ihren Göttern vorliegen.
Bei uns im oberen mittleren Erzgebirge gibt es da auch noch einige Ungereimtheiten. Obwohl die Region erst ab 1180 erschlossen wurde, gibt es Bezeichnungen wie Nonnenfelsen, Teufelsmauer usw. Ein Chronist aus der Region hat vor einigen Jahren Vorträge zum Thema Germanen im Erzgebirge gehalten. Er beruft sich u.a. auf einige noch schwach in den Felsen erkennbare Bilder. So ist der bekannte Katzenstein im Schwarzwassertal seiner Meinung nach der Göttin Freya (Frowa) geweiht gewesen, zwei weitere Felsen (darunter der Nonnenfelsen) den Göttern Wotan und Donar. Ich werde mal versuchen mit ihm in Kontakt zu kommen. Weiterhin ist mir schon vor Jahren die alte Bezeichnung des Pöhlberges (ein weithin sichtbarer Tafelberg bei Annaberg-Buchholz) aufgefallen. Dieser heißt in den ältesten Quellen und Karten nämlich Belberg (Balberg). Und das in einem durchweg von Christen erschlossenem Gebiet.
>>Muskau, sonst Musakow, heißt Männerstadt, und war in Heidenzeiten ein berühmter Wallfahrtsort der lausitzischen Sorben. Hier wurde, wie eine alte Chronik meldet, das Gnadenbild der alten Zeit, der Gott der Götter, Swantewit, das heilige Licht verehrt, und noch sind seine Opferplätze deutlich zu erkennen (der eine in der Nähe des Bades). Auf der anderen Seite aber liegt ein großer Todtenacker voll Urnen. Auch eine Bildsäule des wendischen Waldgottes Zeutiber soll, zwar beschädigt, hier noch in später Zeit vorhanden gewesen sein. Denn hieher retteten sich die aus der westlichen Lausitz vertriebenen Sorben, um in undurchdringlichen Wäldern des alten Götzendienstes zu pflegen. Im Reißtale aber, besonders bei Buchwalde und Werdeck unter uralten Eichen sind ihre Könige begraben. Die Hügel sieht man deutlich und sie heißen bis auf den heutigen Tag Kraalsroo oder Königsgräber.<<
Zeutiber wird übrigens bei Merseburg "Zuttibur" genannt; das soll "Zottelbär" bedeuten. Man sieht, wie die Wenden die Christen mit den angeblich fremden Götternamen veräppelt haben.
Hallo Catrin, bezüglich des "Zottelbären"; habe ich so auch noch nicht gehört.
Schade ist trotzdem, dass es offenbar keine Quelle gibt, in der ein uns geläufiger germanischer Göttername bei den Wenden erwähnt wird.
Während in Brandenburg und im Norden einige wendische Gottheiten genannt werden, die im Buch "Der Slawenmythos" sehr gut erklärt werden, sind bei den Sorben offenbar gar keine Namen überliefert. Dein Zitat aus dem Sagenbuch ist ja ein Hinweis auf Swantevit. Welche alte Chronik könnte dort gemeint sein? Oder wird Swantevit sonst noch irgendwo in einer stichhaltigen Quelle bei den Stämmen in der Lausitz erwähnt?
Du suchst etwas, was es nicht gibt. Da die Sorben-Wenden germanische Wandalen sind, verehrten sie natürlich germanische Götter, also Wodan, Donar, Fria, Balder usw. Durch den Einfluß der Hunnen sind in den Überlieferungen einige fremde Züge eingeflossen, so etwa der Begriff "Bog" für "Gott". Viele Namen wurden verteufelt, weil christliche Chronisten sich nicht trauten, sie zu nennen. Und dann gibts viele unseriöse Texte des 14. bis 17. Jh., wo die Verfasser sich einige Götter frei erfunden haben (so Flins, Krodo usw); nur selten steht ein echter Beiname dahinter (wie etwa bei Liuba oder Belbog). Und dann gibts noch Sagen, die immer weiter ausgeschmückt werden und noch weniger Quellenwert haben. Svantevit kommt nur bei Saxo Grammaticus vor, andere schrieben von ihm ab und der Däne war wohl nie im Wendenland, hatte also selbst schon einen christlichen Gewährsmann, der ihm den Teufelsnamen nannte. Wenn der Gott Radegast ("Gast im Rat", Wodan) in Rethra verehrt wurde und das Heiligtum aufgegeben wurde und nach Arkona verlegt und da dann Svantevit verehrt wurde, dann muß Svantevit dem Radegast entsprechen.
Eigentlich gibt es nur eine Möglichkeit, lokalpatriotisch nach Götternamen zu suchen: Beschaffe Dir die Meßtischblätter Erstaufnahme (um 1850) und sehe Blatt für Blatt durch nach alten Flurnamen. Ich wette, da findest Du Holle-Seen oder Helleberge, Ostergründe und Frauenberge, und dann sollte es nicht schwer sein, zu erraten, welche Götter da verehrt wurden.
Hallo Geza, ja da hast du sicher recht. Wäre auch zu schön gewesen. Ich hatte eben gehofft, dass es irgendwo eine Primärquelle gibt, die einen Gott bei den Sorben nennt. Diesen hätte man dann, wenn der Name verändert oder verteufelt wurde, vielleicht trotzdem zuordnen können.
Das die Wenden keine "Slawen" sind, ist mir spätestens seit deinem Buch "Der Slawen-Mythos" klar. Ich habe vor Jahren das Büchlein von Wittmann und später das Buch von Schröcke gelesen. Dein Buch war dann noch der krönende Abschluss.
Mein Problem bei dem Thema war immer die Sprache. Ich bin kein Sprachwissenschaftler und habe davon leider keine Ahnung. Das heisst; wenn du schreibst: "aus diesem und jenem Wort hat sich durch diese und jene Änderung, dieses und jenes Wort entwickelt", dann kann ich das nicht wirklich nachprüfen, sondern muss es einfach glauben oder eben nicht. Das gleiche gilt umgekehrt für die Argumente der Slawisten in Sachen Sprache. Alle anderen Argumente von deiner Seite sind allerdings für mich absolut überzeugend, während die der Slawisten (sämtliche Chronisten und Zeitgenossen von damals haben sich geirrt usw.), völlig abwegig sind.
Viele Grüße und auf diesem Weg noch einmal herzlichen Dank für das Buch "Der Slawen-Mythos"! Es ist wirklich ein Gewinn für die Forschung zu diesem Thema!
Nachtrag: Danke für den Hinweis zu den Messtischblättern. Ich habe vor einiger Zeit schon die sächsischen Meilenbätter und teilweise die noch älteren Öder-Karten gesichtet. Allerdings ging es mir da mehr um die regionale Geschichte (Wegeführungen, wüste Dörfer etc.). Ich werde bei Gelegenheit noch einmal explizit nach solchen Bezeichnungen suchen.
Die christianisierten Rügener hatten Sankt Veit als Schutzpatron erhalten. Als sie nun wieder ins Heidentum zurückfielen, machten sie aus Sankt Veit den Svantewit; wahrscheinlich hatten sie die echten alten Götternamen vergessen. So hat sich Svantewit unter den Wenden ausgebreitet, obwohl er ursprünglich ein christlicher Heiliger war.
Hier ist das Register der Meßtischblätter. Die kleinsten Vierecke zeigen die "Meßtischblätter" 1:25.000, die etwas größeren sind Übersichtsblätter, wo nicht immer alle alten Flurnamen stehen. Die Einteilung und Bezeichnung der Karten ist bis heute unverändert. Und von den 1:25.000 bräuchtest Du die Erstaufnahme (um 1850), die aktuellen Blätter sind zwar auch interessant, aber da fehlen auch oft Namen oder alte Opfersteine usw. Die Erstaufnahme-Meßtischblätter kann man nur in der Bibliothek einsehen (und kopieren lassen). Ich habe das in der Staatsbibliothek in Berlin gemacht, im Sachsen wird es da auch eine Möglichkeit geben, wahrscheinlich in Dresden.
Hallo Catrin, ich glaube die Geschichte mit Sankt Veit ist nur eine Legende, zumindest ist sie umstritten. Vom Namen her wäre eine Ableitung natürlich tatsächlich denkbar.
Hallo Geza, danke für den Link! Ich werde bei Gelegenheit einmal alle verfügbaren Karten durchackern.
P.S. Ich hatte Dir eine Nachricht geschickt - zwecks Buchbestellung - ich kann es mir natürlich auch im Handel besorgen, wenn Dir das lieber ist.
Zitat von Geza v. Nahodyl Nemenyi im Beitrag #2...die Sorben sind Wenden, wie Du richtig schreibst. Die Wenden aber sind Wandalen. Das A wandelte sich bekanntlich zu einem E,
In der Y-DNA ist bei den Sorben (Wenden, ungefähr Sachsen, südl. Brandenburg) der R1a Anteil ca 40% … 65%, also eindeutig West-Slawen. Wie können es dann Wandalen (Germanen Y-DNA I1/I2) sein? Was wissen wir schon über die Wandalen, angeblich 20.000 Krieger in Nordafrika um 429 n.Chr., max. 80.000 Menschen. Eine verschwindend geringe Zahl im Vergleich zu den Einheimischen in Westdeutschland, Spanien, Frankreich, Nordafrika.
Bei den Wandalen in Nordafrika handelt es sich doch lediglich um den abgewanderten Teil des Stammes. Die große Masse des Stammes ist aber wahrscheinlich in der Heimat verblieben. Viele Grüße
Germanen haben R1a und R1b, das haben die angeblichen "Slawen" auch.
Und ja, es war bei den Germanen so üblich, wenn es zuviel Nachkommen gab, daß dann ein Teil des Stammes auszog, um neues Land zu finden und zu erobern. Der Hauptteil des Stammes blieb aber zu Hause. Die Goten gefolgt von den Gepiden kamen von Schweden, da in Gotland und Götland sitzen immer noch Goten. Sie gründeten ein Reich im heutigen Polen und Rußland (Belarus), dann zogen wieder Teile weiter bis schließlich nach Spanien (Wisigoten). Und Belarus wurde menschenleer? Nein, natürlich nicht. Sein Haus, seine Heimat gibt niemand freiwillig auf, es sei denn er ist jung und arm und auf Ruhm aus. Genauso die Wandalen, kamen aus Norwegen, machten rüber nach Dänemark (Wendsysstel - Wendensitz) und dann bis Schlesien. Die Weichsel hieß "Wandalus" (Wandalenfluß), noch heute erzählt man in Polen die Sage von Wanda. Offenbar sehen die sich noch als Wandalen, sonst hätte das keinen Sinn. Und dann zog der Bevölkerungsüberschuß weiter bis nach Nordafrika. Und dann kam eine Delegation aus der Heimat und bat die Wandalen in Afrika, auf ihre heimatlichen Güter und Höfe zu verzichten, die Zurückgebliebenen bräuchten das Land dringend. Die Wandalen in Afrika lehnten ab. Ammianus Marcellinus berichtet davon. Also nix mit menschenleer und "Slawen sickerten ein" - ein Märchen, nicht mal das, eine Erfindung.
Je weiter man nach Osten kommt, desto größer wird der Anteil an R1a; je weiter man nach Westen kommt, desto größer der Anteil von R1b. An der Elbe ist das Verschmerlzungsgebiet, wo beide Haoplotypen zu etwa gleichen Teilen vorkommen. Die Haplotypen sind sehr alt und entstanden lange bevor die einzelnen Völker der Germanen, Kelten, "Slawen" usw. gab. Schon in der Jungsteinzeit kam R aus dem Osten nach Mitteleuropa und mit ihm höchwahrscheinlich die indoeuropäische Sprache.