Hallo, in Sachen Ahnenforschung stoße ich (und sicherlich auch viele andere) auf das Problem: waren meine Ahnen nun Germanen oder Kelten oder eine Mischung aus beidem. Bei mir selbst ist es wohl am wahrscheinlichsten eine Mischung. Welche Religion wäre denn dann eigentlich die Richtige? Ich glaube für mich am ehesten die germanische, da die meisten meiner Vorfahren aus diesem Bereich kommen. Aber eigentlich nicht ganz unkompliziert (auch wenn beides einander ähnliche Naturreligionen sind) oder was sagt ihr?
ein großer Teil meiner Ahnen väterlicherseits stammt auch aus dem Erzgebirge. Im Erzgebirge lebte der germanische Stamm der Hermunduren; im Mittelalter kamen noch Franken und Flamen hinzu, ebenfalls germanische Stämme. Ein großer Teil der Erzgebirgler hat den bekannten Rechenmeister Adam Ries(e) als Vorfahren, dessen Sohn eine Frau aus einem sächsischen Rittergeschlecht heiratete. Dieses Geschlecht hat auch durch die Verwandtschaft mit den Markgrafen von Meißen u. a. böhmische Herzöge, ungarische Könige, die Kiewer Rus (Waräger), Vikinger und die englischen Könige von Wessex als Vorfahren, die vom Gott Beldeg (Baldr) und somit von Woden und Frea (Odinn und Frigg) abstammen. Ich hoffe, ich konnte Dir damit etwas weiterhelfen.
Ich persönlich stamme aus Süddeutschland und somit dürfte es sich bei meinen Vorfahren nicht ausschließlich um Germanen gehandelt haben, sondern auch manche Kelten und Römer darunter sein. Für mich ausschlaggebend ist allerdings, daß meine kulturelle Prägung germanisch ist - also Sprache, Kultur, Brauchtum, Geschichte. Da mir das Keltische somit fremd ist, sehe ich auch keinen Sinn darin, mich jetzt dafür zu entscheiden. Es ist wohl die Frage, zu was man sich besonders hingezogen fühlt. Manche Menschen spricht ja mehr das keltische an, vielleicht rein aus persönlichem Interesse, vielleicht auch aus tieferen Gründen.
An sich ist der Unterschied zwischen keltischer und germanischer Religion nicht sonderlich groß, beide stehen sich nahe, es gab ja eine sehr lange Nachbarschaft. Die Götter der verschiedenen Kulturen sind eh identisch, sie treten nur anders auf. Der römische Merkur etwa ist meist ein junger Mann, während seine germanische Entsprechung Wotan in Gestalt eines alten Mannes bekannt ist.
Bezüglich das Erzgebirges: In diesem Raum haben vor der Ostsiedlung meines Wissens slawische Stämme gelebt, die schließlich im Deutschtum aufgegangen sind. Wäre da die Frage nicht auch die Frage berechtigt, ob die slawische/wendische Religion passend für dich wäre?
Hallo, vielen Dank für eure Antworten! @Catrin: Interessant! Dann haben wir ja teilweise ganz ähnliche Wurzeln!
Meine Anfrage bezog sich nicht wirklich auf das Erzgebirge, Entschuldigung, da war mein Benutzername etwas irreführend. Kurz zur Erklärung: Nur zwei von meinen Großeltern stammen aus dem Erzgebirge. Hier bin ich mit der Ahnenforschung auf folgendem Stand: Die ältesten nachvollziehbaren Ahnenlinien reichen bis ins Jahr 1450 hier bei uns im oberen Erzgebirge zurück. Also noch vor Adam Ries und vor der großen Bergbauwelle. Die Region wurde grob in der Zeit von 1180 - 1220 durch fränkische Siedler erschlossen. Ich wohne heute in einem fränkischen Hufengut das um 1200 gerodet und angelegt worden ist. Es wurde also wohl seit rund 800 Jahren immer von einer Generation an die nächste weitergegeben. Zumindest die älteste nachvollziehbare Ahnenlinie geht hier auf fränkische Siedler zurück. Zu den Wenden; theoretisch natürlich möglich, aber für das restliche heutige Sachsen wesentlich relevanter als für das Erzgebirge, da hier die tatsächliche Besiedlung erst um 1180 einsetzte. In wendischer Zeit war die Region weitestgehend unbewohnt.
Zu den Kelten: Einer meiner Großväter stammt aus Ungarn (Ungarndeutscher). Unsere Familie wurde nach dem 2. WK von dort vertrieben. Nach meiner bisherigen Ahnenforschung kann ich hier einen eventuellen ungarischen Vorfahren (wäre ja durch Heirat immerhin möglich) ausschließen. Meine Vorfahren kamen um 1696 bis 1720 (mit insgesamt 3 oder vier Siedlerzügen) in das ungarische Dorf. Die Siedler stammten fast alle aus der Gegend um Ulm. Damit wären wir also möglicherweise bei suebischen/alemannischen Vorfahren. Und/oder bei keltischen. Um es noch komplizierter zu machen, ein Siedlerzug der das ungarische Dorf mitbegründete, kam aus Elsaß-Lothringen. Theoretisch könnten also durch Heirat auch einige Wurzeln dorthin reichen. Darum kann ich die Kelten nicht ausschließen.
Aber ihr habt meine Frage ja trotzdem beantwortet. Rein gefühlsmäßig ist die germanische Religion die Richtige. Von den Wurzeln her sind wohl auch fast nur Germanen unter meinen Vorfahren. Aber Kelten lassen sich da eben nicht ganz ausschließen.
Ach ja, und zu guter Letzt: meine andere Großmutter stammt aus Schlesien. Hier sind alle Namen meiner Ahnen, die ich bis jetzt gefunden habe, deutsch. Wendische Nachnamen kommen nicht vor, eventuell trotzdem vorhandene wendische Ahnen lassen sich deshalb trotzdem nicht ausschließen und sind bei dieser Linie somit ebenfalls möglich.
Da hast Du ja bereits schon sehr viel über Deine Ahnen herausgefunden! Zu den Wenden: Wenn man weiter zurückforscht, dann findet man heraus, daß die Wenden Nachkommen der Vandalen und auch der Vikinger sind, dh. ost- und nordgermanischen Ursprungs. Selbst die russischen Fürsten entstammen varägischen Vikingern; z. B. hieß Fürst Igor in Wirklichkeit Ingmar.
Hallo Catrin! Ja, eigentlich müßte ich noch mehr Zeit investieren, aber wie das eben immer so ist - ständig hat man was anderes zu tun. Gerade die Familie meiner Oma aus Schlesien ließe sich sicherlich noch weiter zurückverfolgen. Mit den Wenden - Ostgermanen habe ich mich in letzter Zeit häufiger befasst. Nachdem ich schon vor Jahren das Büchlein von Wittmann und später das Buch von Schröcke gelesen habe, kam Anfang diesen Jahres noch der "Slawenmythos" von Geza dazu. Ich fand dieses Buch so gut und verständlich geschrieben, dass ich seither noch drei weitere Bücher von ihm gekauft und gelesen habe. Mein Kompliment an ihn, alle richtig gut gelungen! Für Laien flüssig und verständlich lesbar, trotzdem gut nachvollziehbar (mit Quellenangaben etc.). So wie es sein soll. Beim Durchsuchen des Netzes nach weiteren Büchern von ihm, bin ich dann auf dieses Forum gestoßen. Zu den Wenden im heutigen Sachsen fallen mir auch noch ein paar Fragen ein, die aber vielleicht eher in einen anderen Thread gehören.
Bei den Schlesiern forsche ich auch, da meine rein mütterliche Linie aus Niederschlesien (Landkreis Freystadt) stammt. Leider bin ich da noch nicht ganz so weit zurückgekommen und erst im Jahr 1798. Leider weisen die dortigen Kirchenbücher viele zeitliche Lücken auf.
Ja, über die sogenannten Slawen/Wenden gibt es viele Mißverständnisse und Halbwahrheiten; da lohnt sich immer ein genaueres Nachforschen.
Wie AlexR schon schrieb, der Unterschied zwischen Celten und Germanen war nicht groß. Die Celten sind auch Indogermanen, selbst ihre Götter sind mit unseren identisch. Durch den römischen Einfluß ist dann Merkur dem römischen angeglichen worden, was aber zu Caesars Zeiten noch nicht so war. Eigentlich unterscheiden wir uns nur durch die Sprache und den Siedlungsraum. Wenn man deutschsprachig ist, wäre es unlogisch, sich einer Religion und Mythologie zu öffnen, die man nur durch Übersetzungen verstehen kann. Ja, auch die Eddas müssen wir heute übersetzen, aber sie stehen unserer Sprache doch näher, als das Celtische. Wotan = Wut, Donar = Donner, Sunna = Sonne - das verstehen wir leicht. Aber Cernunnos, Lugh oder Epona verstehen wir eben nicht so leicht. Ich denke deswegen, die Wahl zwischen germanischer oder celtischer Religion haben wir (oder unsere Eltern und Vorfahren) dadurch für uns getroffen, daß sie sich eben zur germanischen Kultur (d. h. deutsche Sprache, Siedlungsgebiet, Bräuche usw.) bekannt haben. Es wäre irgendwie unlogisch, dies zu ignorieren. In der Bretagne, in Irland und andern celtischen Gebieten hat die celtische Religion dagegen natürlich ihre Berechtigung.
Hallo, Catrin, meine Oma stammte auch aus Niederschlesien, Kreis Neumarkt. Mit den Ahnen von dort habe ich mich bisher leider noch am wenigsten befasst. Bei den Ahnen meiner Frau sieht es noch schlechter aus, da habe ich bisher wenigstens alle Urgrossväter zusammen. Vielleicht freut sich meine Tochter später darüber...
Danke für Deine ausführliche Antwort, Geza. Du hast es damit wirklich auf den Punkt gebracht!
Anschließend an Gézas Ausführung würde mich da noch ein bedeutender Punkt interessieren:
Welche Rolle spielen eigentlich die Ahnen bei der Religion? Es ist je bekannt, daß im Heidentum immer auch ein Ahnenkult vorlag.
Oder fragen wir so: Kann man sich, wenn man sich kulturell als Germane sieht (wegen Sprache, Kultur, Interessen) bedenkenlos der germanischen Religion anschließen, auch wenn man von der Abstammung her andere Wurzeln hat?
Da mein eigener Stammbaum auch in außerdeutsche Gebiete reicht, frage ich mich da selbst: Ist es eigentlich bedenklich, wenn ich diese anderen Wurzeln ignoriere, ist das unangebracht den Ahnen gegenüber? Ich kenne aus meinem Umfeld auch einige Menschen, die nicht rein deutscher Herkunft sind, sondern Wurzeln in Ländern wie Italien oder Ungarn haben, allerdings mit diesen Ländern und deren Sprache und Kultur so gut wie nichts zu tun haben. Ich denke auch an Länder wie die USA, wo die Weißen die angelsächsische Kultur teilen, aber oft sehr verschiedene Abstammungen haben. Natürlich weiß man auch oft nicht, wo genau man überall Ahnen hat, vor dem 17. Jahrhundert wird das ja oft schwer, da mehr herauszufinden.
Die Ahnen spielen bei allen heidnischen Völkern eine sehr wichtige Rolle; das war auch bei den alten Germanen und Kelten so. Man war stolz, wenn man seine Ahnen aufzählen konnte; das sieht man z. B. im Hyndlalied der Älteren Edda. Manche Geschlechter können ihre Ahnen sogar bis auf die Götter selbst zurückführen, wie z. B. die Könige von Wessex, die von Woden und Frea abstammen. Aber auch sonst werden im Heidentume die Ahnen stets verehrt; vor allem in den Festen Winternacht und Disablót. Man erhofft sich ihren Beistand und opfert ihnen, ehrt sie und gedenkt ihrer regalmäßig. Ich habe Menschen aus den verschiedensten Regionen Europas unter meinen Ahnen, doch weil ich auf germanischen Gebiet lebe, rufe ich die Götter natürlich unter ihren germanischen Namen an, zumal der größte Teil meiner Ahnen germanisch ist. Wenn ich jedoch in Italien bin, rufe ich die Götter unter ihren römischen Namen an. Die Götter sind überall die gleichen, denn es sind nicht nur reine Lokalgeister, sondern kosmische Wesen, Weltgötter. Die Namen und Vorstellungen mögen verschieden sein, doch sind das ledigliche Bilder, die den Menschen helfen sollen, die Götter zu verstehen; und das tut jedes Volk auf seine eigene individuelle Weise, je nach Landschaft, Klima, Mentalität, Kultur.
Ich sehe das auch so: Wenn man sich von einem Mythos angesprochen fühlt, dann darf man sich ihm auch zugehörig fühlen, ohne einen Nachweis erbringen zu müssen über seine Ahnenreihe. Ich kann leider meine Vorfahren nicht genau bis Odin/Wodan aufzählen. Ich habe dazu aber auch nicht geforscht. Ich habe einen Vorfahren, der Gorgas geheißen hatte und seinen Namen in Gudegast umänderte, weil ihm sein eigentlicher Nachname zu finster klang. Das zeigt, wie leicht Leute ihre Namen haben ändern können. Auch um der besseren Verständigung Willen konnte man wohl auch einen deutsch klingenden Namen irgendwann annehmen. Es war ja auch so: Wenn man das Kind kirchlich taufen ließ, dann konnte man auch den Namen eintragen lassen. Wer weiß, inwieweit das immer genau genommen wurde. Bei Adeligen glaube ich das schon eher. In der Jüngeren Edda steht übrigens, wenn ich das so richitg behalten habe, dass Odin/die Götter so viele Namen habe/hätten, weil es so viele Sprachen gebe.
Zitat von Catrin im Beitrag #2...Erzgebirge lebte der germanische Stamm der Hermunduren; im Mittelalter kamen noch Franken und Flamen hinzu, ebenfalls germanische Stämme...
Flamen sind Westeuroäer (Belgien) und dort ist die Y-DNA R1b mit ca. 60% vorhanden, also Kelten. Warum sollten die Flamen Germanen sein?
Der Haplotyp R1b ist gleichermaßen bei Germanen wie bei Kelten zu finden, wie die Funde in Gräbern beweisen. Die Haplogruppen entstanden in einer Zeit die weit vor der Entstehung der Germanen und Kelten lag, sogar noch vor der Zeit der Indoeuropäer. Bevor die Indoeuropäer nach Mittel-, West und Nordeuropa kamen, was in der Jungsteinzeit geschah, war hier zu über 90% die Y-DNA I und die mtDNA U (meist U5) vertreten. Mit der Einwanderung der Indoeuropäer aus dem östlichen Europa verbreiteten sich hier die beiden R1 Haplogruppen (Y-DNA) sowie die Haplogruppe H (mtDNA). Die Germanen bestehen überwiegend aus den Y-Haplogruppen R1a, R1b und I. Sie sind eine Verschmelzung der ansässigen Alteuropäer mit den in der Jungsteinzeit eingewanderten Indoeuropäern.
Hallo Martina, flämisch ist außerdem eine germanische Sprache. Im Gegensatz zu französisch (eine romanisierte gallische/keltische Sprache), wie es im wallonischen Teil Belgiens gesprochen wird.
Zitat von Erzgebirger im Beitrag #16flämisch ist außerdem eine germanische Sprache
Sprache ist nicht gleich Herkunft. Die Afroamerikaner sprechen auch Englisch, kommen aber nicht aus Britannien. Die germanischen Sprachen haben viele Lehnwörter aus dem Keltischen z.B.Ortsnamen, Flussnamen.