Guten Tag,

von Deutschland bzw. von den Deutschen als Volk zu sprechen und sich über die Begriffe Volk und völkisch auseinanderzusetzen ist doch ein eigener Gesprächsfaden wert.
Für mich ist völkisch schon gegeben, wenn sich eine Gemeinschaft abgrenzt gewollt oder ungewollt. Diese Grenzen können weniger überwindbar sein wie durch Geburt oder leicht überwindbar sein wie das Erlernen einer Sprache. Um dem Christentum anzugehören, bedarf es der Taufe. Ohne dieses Ritual gehört man nicht offiziell zur Gemeinschaft, was wiederum ist ein völkischer Zug ist. Im Islam gilt Arabisch als Sprache der heiligen Schrift, was auch ein völkischer Zug des Islams ist.
Ich sehe mich als ein Nachkomme aus einer christlichen Welt, die im Zuge der Renaissance, der Aufklärung und der Rückbesinnung auf andere kulturelle Wurzeln zerbröckelt ist. Dennoch ist Europa nach wie vor sehr christlich, das muss man sich einmal verdeutlichen. Der Grund, warum wir kaum kulturelle Grenzen in Europa spüren, ist das christliche Fundament. Das Christentum hat auch zu einer Vermischung von Völkern geführt. Klassische Völker gibt es vermutlich nicht mehr als eigenständig bestehbare Einheiten, da alle Gebiete mittlerweile innerhalb von Staaten verwaltet werden. Und bei diesen Staaten spricht man von Nationen und nicht von Völkern.
Für mich ist allein die Sprache schon ein starkes Bindeglied, daher würde ich jemand immer dem Volk zuordnen, dessen Sprache er als Hauptsprache spricht. Insofern würde ich von den Deutschen als ein Volk sprechen, das sich geographisch über die Staaten Deutschland, Österreich und die Schweiz erstreckt.

So gesehen ist es wichtig zu unterscheiden, welche Gemeinschaft man politisch ansprechen will. Tatsächlich nur die Deutschen oder Deutschland oder die Europäische Gemeinschaft?
Wie kann und sollte die Politik das berücksichtigen? Ist Kultur und Gemeinschaft letztendlich nicht ein passives Ergebnis der Aktionen vieler einzelener? Kann man ein Volk kontrollieren? Sollte man so überhaupt denken? Wenn Flüchtlinge aufgenommen und Fachkräfte ins Land geholt werden, ist dann dadurch das deutsche Volk bedroht?


Ich freue mich über jeden Diskussionsbeitrag.

Mit freundlichem Gruß
W.

Vielen Dank für die Antwort.

(Also ich habe schon Kommentare entnehmen können zur Einwanderungspolitik, wenn ich mich nicht sehr irre. Und ich habe in diesem Zusammenhang erfahren wollen, welche Vorstellung von Volk damit einhergeht. Ich finde auch, dass man sich über Einwanderungspolitik auseinandersetzen und unterschiedliche Einstellungen dazu haben kann, von der Forderung gegen geförderte Einwanderung bis hin zur Befürwortung einer wirtschaftlichen Migration. Aber mit diesen Worten sei ein Schlagabtausch darüber beendet.)

Mich faszniert der Glaube und die Kultur der Heiden und ich bin auf die GGG aufmerksam geworden, weil sie sich offenbar auch forschend damit befasst. Aber bei mir bleibt die ethnologische Perspektive nicht aus. Daneben verfüge ich zumindest über ein wenig sprachwissenschaftliche und philologische Kenntnisse.

Die dargelegte Etymologie findet sich auch im Grimm-Wörterbuch:
"eine besonders bedeutsame wandlung tritt in der zweiten hälfte des 18. und der ersten des 19. jhs. ein. die ästhetischphilosophische bewegung veredelt den begriff des volkes als des ursprungs des werthvollsten pcetischen gutes, schöpferischen phantasielebens, naturbedingter sitte, indem zugleich der werth der den oberen gesellschaftschichten vorbehaltenen bildung herabgesetzt wird; die aus der romantik hervorgehende philologie führt diese bewegung in historischer vertiefung weiter, wobei bes. die gegenüber der aufklärungszeit völlig veränderte stellung zu beachten ist, die dem volk im sprachlichen leben zugewiesen wird. in politischer beziehung wird durch die ideen der französischen revolution und ihre weitere entwicklung in der liberalen bewegung eine umwerthung des wortes herbeigeführt. damit verbindet sich die veredlung durch das erwachsen des nationalen bewusztseins, mächtig gefördert durch den zusammenbruch des alten deutschen reiches und den kampf gegen Napoleon: das ringen um freiheit und einheit geben dem wort einen stimmungsgehalt, der leidenschaftlich empfunden werden kann. in diese würde wächst das wort erst allmählich im kampfe mit dem fremden nation hinein."
Auch die Beziehung zu dem Begriff vulgus wird dort dargelegt.
http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz...V09940#XGV09940

Hätte ich meine Hausaufgaben gemacht, hätte ich dort auch einmal reingeschaut.

Auf Wiki steht übrigens, dass die Verwandschaft mit vulgus umstritten ist.
"Eine Verbindung des Wortes Volk zum lateinischen vulgus für „Menschenmenge“ gilt als unwahrscheinlich, da der deutsche Anlaut f- (auch wenn als v- geschrieben) auf ein indogermanisches p- zurückzuführen ist; eine Wurzelverwandtschaft mit dem lateinischen Wort plēbs für „Volksmenge“ (zu lateinisch plēre „füllen“) ist dagegen lauthistorisch plausibel. Eine Verwandtschaft zu lateinisch populus, „Volksgemeinschaft“, ist zwar nicht nachgewiesen, aber lauthistorisch möglich.

Eine Parallele zum Bedeutungsübergang von einer Mengenbezeichnung zu einem Personenkollektiv (wie „viele“ zu „Volk“) findet sich parallel auch in der germanischen Wortwurzel þiuð-, welche mit lateinisch tōt- mit der Bedeutung „gesamt“ (vgl. total) verwandt ist. "
https://de.wikipedia.org/wiki/Volk#Etymologie

Die Etymologie ist ein wichtiger Ansatz für das Nachvollziehen von kulturellen Eigenheiten und Entwicklungen. Aber bei der Deutung sollte man dann nicht bloß bei der Wurzel verharren.
Das Wort Presse hat im Deutschen eine umfangreiche Bedeutung, die nicht bloß mit der Wurzel erschlossen oder aufgelöst werden kann.

Außerdem kann eine Kriegsschar sehr wohl auch eine Grundlage für eine Volksbildung sein. Waren die kriegerischen Fähigkeiten bei den früheren Heiden nicht sehr wichtig? Heißt es nicht: Nur derjenige, der im Kampfe stirbt, kommt in die Walhalla?
So sieht man das, wenn ich das richtig verstanden habe, heute in der Politologie. Grundsätzlich muss sich ein Volk verteidigen können, damit es bestehen kann. Außerdem können Krieger auch dazu dienen, die Abgaben einzusammeln. Erst wenn der Schutz gegeben ist und die Steuereinnahmen geregelt sind, können sich zivilere Staatsstrukturen entwickeln wie das Verwaltungswesen usw. usf.

Jedenfalls kenne ich nun die Bedeutung von Volk und die Hypothesen zur Entwicklung der Bedeutung und dafür bedanke ich mich noch einmal.

Ich bedanke mich für den Hinweis auf Köbler.
Eintschuldigt bitte, einen weiteren Wikipedia-Eintrag werde ich hier nicht mehr reinkopieren.
Nun werde ich mich erst einmal weiter belesen.