Im altsächsischen Taufgelöbnis, welches zwischen 772 und 777 entstanden ist (Handschrift aus Fulda), finden wir den folgenden Satz, den der Täufling bestätigen mußte:
>... und er soll antworten: Und ich entsage allen Teufels-Werken und Worten, Thunaer und Uuoden und Saxnote und allen den Unholden die ihre Genossen sind.<
Daß Thunaer Donar ist und Woden Wodan, das ist eindeutig, aber welcher Gott verbirgt sich hinter dem Namen "Saxnote"? Es muß ein hoher Gott sein, der hier neben Wodan und Donar aufgezählt wurde. Da Tacitus 8 Jahrhunderte früher bereits eine germanische Götterdreiheit erwähnt, liegt es nahe, beide gleichzusetzen. Tacitus schrieb (Germania 9):
>Von den Göttern verehren sie am meisten den Merkur; sie halten es für geboten, ihm an bestimmten Tagen auch Menschenopfer darzubringen. Herkules und Mars stimmen sie durch bestimmte Tiere gnädig.<
Merkur wird seit alten Zeiten mit Wodan gleichgesetzt, Herkules in römischer Interpretation entspricht dem Donar, und Mars wird üblicherweise mit Tius (Tyr) gleichgesetzt, sogar noch auf isländischen Handschriften. Nur seltener wird Mars auch mit Wodan gleichgesetzt, was hier aber wohl auszuschließen ist, da ja Wodan schon mit Merkur gleichgesetzt wurde, wie es dann auch bei den Wochentagsnamen geschah. Übrigens belegt auch Caesar, daß Merkur bei den Galliern als höchster Gott verehrt wurde, gefolgt von Apollo, Mars, Jupiter und Minerva (De bello gallico VI, 17).
Jedenfalls finden wir bei Tacitus eine germanische Götterdreiheit von Wodan, Donar und Tius, die dann vermutlich der Götterdreiheit des sächsischen Taufgelöbnisses entsprechen müßte. Diese Götterdreiheit kommt auch auf Votivinschriften, z. B. der von Remagen (CIL XIII, 7789) vor, die von Soldaten der Legio XX Ulpia Victrix den Göttern
>I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et Genio loc(i) Marti Hercul(i) Mercvrio Ambiomarcis<
geweiht wurde.
Saxnote wäre demnach also Tius. Daß im Taufgelöbnis (anders als bei Tacitus) Donar vor Wodan genannt wird, ist wohl mit der großen Popularität den Gottes Donar zu erklären - deswegen kann man Donar aber nicht als obersten Gott mißdeuten.
Wir kennen aber noch andere germanische Götterdreiheiten, nämlich die vom Tempel in Upsala. Dort standen drei Götter, das Bild des Thorr in der Mitte, umgeben von Odinn und Fricco (Freyr). Auch hier kann man Thorr nicht wegen des Standbildes in der Mitte zum höchsten Gott umdeuten, vielmehr muß man die drei Bilder von links nach rechts sehen: Odinn zuerst (links), Thorr als zweiter Gott in der Mitte, Fricco (Freyr) rechts. Wegen dieser Götterdreiheit haben einige Forscher, angefangen von J. Grimm, angenommen, der Gott Saxnote könnte dem Freyr entsprechen.
Zum Glück ist das Taufgelöbnis nicht die einzigste Quelle über Saxnote. Auch in den Stammtafeln der Könige von Essex wird der Gott als "Seaxnéat" oder "Saxnéat" als Sohn Wodens erwähnt. Nun wissen wir, daß Tyr (Tius) ein Sohn Odins (Wodans) ist, Freyr (Fro, Fricco) ist aber ein Sohn des Njördr. Also kann Saxnote nicht Freyr sein, denn die Könige von Essex waren ja Sachsen und werden sich wohl mit ihrem eigenen Stammbaum und Stammesgott ausgekannt haben.
Auch die Übersetzung des Namens spricht dafür: Das Wort, das ursprünglich Sahsginót gelautet haben dürfte, wird als "Schwertgenosse" übersetzt. Der Sax war allerdings eher ein Messer, jedenfalls ein besonderes Kurzschwert. Eine bessere Deutung lieferte übrigens Much, der den Namen als "Not der Sachsen" übersetzt. Dieses "Nót" verbindet Much mit altnordisch Niótr und britisch "Nódens", irisch "Nuadu", was bei den Celten ein Name des Gottes mit der einen Hand ist, der eindeutig unserem Tius-Tyr entspricht. Statt "Schwertgenosse" kann der Name auch der "Sachsen-Genosse" bedeuten.
Nun würden wir gerne eine Deutung des Namens dieses Gottes finden, die etwas näher an der heidnischen Zeit steht oder sogar aus ihr stammt. Tatsächlich finden wir in den Breta sögur, die ja auf Geoffrey von Monmouth zurückgehen, eine Deutung:
>Da sprach einer der Soldaten des Turnus: "Ihr dummen und einfältigen Leute, ergebt eure Stadt und euch selbst in die Gewalt des Turnus. Ihr wißt genau, daß ihr mehr an Luxus und Vergnügen, an Spiel, Trank und zärtliche Umarmungen gewöhnt seid als an Kampf und Krieg. Ihr habt wohl auch vernommen, daß kein Volk härter ist als die Saxen; deshalb wurden sie auch nach einem Stein benannt. Ihr seid dumm, wenn ihr gegen uns kämpfen wollt."<
Demnach gingen diese Sachsen des 7. Jh. davon aus, daß ihr Stammesname "Stein" bedeuten würde. Es ist aber wahrscheinlich, daß die Sachsen hier dem Gegner eine falsche Deutung ihres Namens gaben. Götternamen hat man gegenüber Gegnern immer gern verschwiegen, damit sie den Gott nicht auch anrufen könnten. In sächsischen Sagen wird jedenfalls häufiger der Bezug zum Messer oder Kurzschwert hergestellt, so auch im Annolied aus dem späten 11. Jahrhundert, wo es heißt:
>Von den mezzerin alsô wahsin, wurdin si geheizzin Sahsi<.
Der "Sax" ist also das Messer oder Kurzschwert, der Saxnote ist dann nicht die "Messer-Not" oder die "Not des Stammes der Sachsen", sondern der "Schwert-Genosse" oder der "Genosse des Stammes der Sachsen", also deren Kriegsgott, den wir Tius oder Tyr nennen. In jedem Falle muß der Name auf den Gott bezogen werden, nicht nur auf das Schwert. Der Gott entspricht auch dem irischen Nuadu Argatlám (Nuadu mit der silbernen Hand), der seine Hand wie Tyr verlor und eine künstliche aus Silber erhielt. Nuadu entspricht dem celtischen Gott Nodons, den die Römer mit Mars gleichsetzten.
Somit kann es keine Zweifel geben, daß Saxnote dem Tius-Tyr entspricht.
Odin hatte ja bekanntliche viele Söhne, und große Herrschergeschlechte und Stämme sind aus ihnen hervorgegangen. Könnte es nicht sein, daß es sich bei Saxnot einfach um einen der vielen Söhne Odins handelt, und Saxnot daher gar nicht mit einem der Hauptgötter (Tyr oder Freyr) gleichgesetzt werden muß?
Das glaube ich nicht. Wenn dieser Gott gleich nach Thunaer und Uuoden aufgezählt wird, dann muß er ein Gott von größerer Bedeutung sein. Und wenn Er sogar den Stammesnamen verursachte, dann wird das kein unbedeutenderer Gott gewesen sein. Das Attribut des Schwertes deutet auf den Kriegsgott hin, die Etymologie "not" zu "Nodon" bestätigt die Deutung als Tius. Wäre es irgendein anderer, weniger bedeutender Gott, dann wäre dieser doch als Kriegsgott aufzufassen. Dann fragt man sich, warum nicht Tius genannt wird, stattdessen ein anderer Kriegsgott. In 6 Jahrhunderten hätte sich die Götterdreiheit Wodan (Merkur), Donar (Hercules) und Mars (Tius) gewandelt und Mars wäre durch einen unbedeutenderen Gott ersetzt worden. Das anzunehmen, dafür gibt es kein einziges Indiz.
Schwert...genosse eigentlich gilt doch, höchste Achtung in der Anrede zu den Göttern walten zu lassen. Kann ich hier das "kumpelhafte/kamaradschaftliche" Wort Genosse so interpretieren, das ich als "einfacher Krieger" mich auch der absoluten Loyalität des Gottes sicher sein darf und dies in diesem Wort Genosse sein Ausdruck findet.
Ich kann zwar keine alten Texte deuten, aber damit doch in der Deutung etwas an fangen. Mehr ist nicht drin, interlektuell gesehen.
Zitat Kann ich hier das "kumpelhafte/kamaradschaftliche" Wort Genosse so interpretieren, das ich als "einfacher Krieger" mich auch der absoluten Loyalität des Gottes sicher sein darf und dies in diesem Wort Genosse sein Ausdruck findet.
Du kannst! Das ist Treue und Kameradschaft bis zum Schluß.
..darauf aufbauend: Es gilt die Friedenspflicht! Dann ist der Kriegsgott eher Beurteiler meiner Taten, denn jemand, der "beide Augen zu drückt". Somit ist die Grundregel, höchste Achtung und Distanz gewahrt. Ein klein bisschen in Beas Wortmeldung von vor 2 Tagen geschiehlt: Jemanden den Sieg zu münzen durch Bitten an einen Gott ist unfair gegen über dem Gegner, da der Beste gewinnen soll und Gerechtigkeit gegenüber Jedermann wichtig und Grundregel sein muß.
Wenn aber der Krieg als letztes Mittel das Recht einfordert, ja, dann ist dieser Kriegsgott ein Kamerad, wie jeder andere Krieger auch. "Treue und Kameradschaft bis zum Schluß!" (komm hier keiner mit der Waffen -SS-Logik!!!).
Für mich gibt es auch keinen Zweifel, daß der Gott Saxnot dem Tyr-Tius enspricht; ich kenne auch den Gott Saxnot, sowie Donar und Wodan. Hail dir Saxnot.