vielen Dank für die Aufnahme und Grüße an alle. Ich bin frisch gebackener Dipl.-Ing. aus Sachsen und kenne das Thema "Slawenlegende" oder "Slawenmythos" seit meiner Schulzeit. Da ich mir zu diesem Thema seitdem regelmäßig Gedanken gemacht habe und dann zufällig auf das Buch von Hrn. v. Nemenyi stieß, möchte ich nun auf sein Anraten hin hier einige meiner Fragen öffentlich besprechen. Möglicherweise sind mir ein paar Zusammenhänge oder Hintergründe überhaupt nicht bekannt oder meine Fragen unzureichend gestellt. Ich hoffe deshalb auf eine rege und früchtetragende Diskussion.
Frage 1: G. v. Nemenyi, J. Wittmann, L. Greil u. a. sind bekannte Verfasser zu diesem Thema Ende des 20. und Anfang des 21. Jhdts. Auch in der Zeit der ersten Slawisten wie Herder und Schlözer im 18. und 19. Jhdt. hat es sicherlich kluge Menschen gegeben, die deren absichtlichen oder gutgemeinten Fälschungen (Slawen = Sclaveni) entgegentraten. Wer waren diese und was waren ihre Argumente?
Frage 2: Zahlreiche Verfasser sprechen begründet davon, daß die Slawen Ostgermanen seien, bzw. weniger pauschalisiert, daß die Volksgrundlage der slawisch sprechenden Menschen auf Ostgermanen und asiatische Einwanderer zurückginge. Jedoch sprechen sie eine andere (=slawische) Sprache, die erfunden worden sein soll. Eine Sprache besteht nun aus einem Wortschatz und einer Grammatik. Substantive und Verben werden gebeugt. Jeder Durchschnittsdeutsche, der versucht, Polnisch oder Russisch zu lernen, hat Angst vor den unterschiedlichen Formen nach Casus, Numerus, Tempus, Modus, Genus usw., die es im Deutschen (und im Englischen) in viel einfacheren Formen oder gar nicht gibt. Wie kann man die bloße Behauptung beweisen, daß das Slawische bzw. das Alt-Slawische=Kirchenslawische eine Kunststprache ist?
Frage 3: Es wird weiterhin angegeben, daß diese Kunstsprache über Gottesdienste unter das Volk gebracht wurde. Hier frage ich mich, wieso denn bspw. unsere deutschen Vorfahren, die seit dem 8. "fleißig" in die Kirche gingen, wo auf Latein gepredigt wurde, die lateinische Sprache (bis auf Lehnwörter) nicht übernahmen? Aber die Slawen taten es ohne zu Murren? Was war deren Antrieb, den es bei uns nicht gab?
ich glaube, daß man früher die Tragweite der "Slawisierung" noch nicht gesehen hat und kenne auch keine Streitdiskussionen deswegen (Frage 1).
Zur Sprache (Frage 2): Da gibt es ja drei Theorien, nämlich 1. daß es eine reine Kunstsprache sei (d. h. eine künstliche eingeführte Sprache, die auf dem Balkan entstanden ist) oder 2. daß es eine Mischung ist (Kunstsprache und Reste des Ostgermanischen) oder 3. daß unser sog. "slawisch" in Wahrheit reines Ostgermanisch ist, mit einigen fremden Wörtern natürlich.
Ich hänge der Theorie 2 an, denn viele Wörter sind rein germanisch, was ich an den Ortsnamen auch leicht erkenne. In den Jahren hat sich die Sprache dann natürlich selbständig weiterentwickelt. Es gab allerdings immer auch Eingriffe wie die zur Zeit der Hussiten, wo man Buchstabendreher usw. hineinbrachte. Ich beziehe mich allerdings ausschließlich auf Rußland, Polen und die Czechei und deren Sprachen. Daß die fremden (d. h. von den Missionierern der Ostkirche) eingeführten Bestandteile auch ihre Sprachgeschichte haben, sehe ich auch so. Die Mönche sprachen Griechisch, dieses entwickelte sich auf dem Balkan (von den Goten geprägt) zum Altslawischen, mit dem gingen sie nun auf die Fahrt. Deswegen kann man Wörter aus diesen Sprachen oft auch auf indogermanische Urwörter zurückführen. Ich gehe nicht davon aus, daß sich da jemand hingesetzt hat, und eine neue Sprache am Reißbrett ersann wie etwa das Esperanto.
Damit wird dann auch Frage 3 beantwortbar: Es ging nur darum, einzelne griechisch-altslawische Wörter in Ostgermanien einzuführen, und da die Kirchen die Schulen hatten, war ihnen das auch leicht möglich. Sie wollten ja, daß ihre Meßbücher von allen gelesen und verstanden werden konnten. Und wenn wir uns einmal Frankreich ansehen: Da wurde das Fränkische wie das Gallische nur durch die römische Besatzung völlig verdrängt (außer vielleicht Restgebiete in der Bretagne und in der Gascogne). Eine dominante Macht kann relativ leicht eine Sprache verdrängen, und ähnlich wird es bei den Ostgermanen gewesen sein. Übrigens finde ich auch viele baltische Wörter im "Slawischen" und auch deutsche Wörter.
Wenn man sich die slawischen Sprachen einmal näher anschaut, dann wird man feststellen, daß sie den baltischen Sprachen am ähnlichsten sind. Die baltischen Sprachen sind sehr alt und weisen Ähnlichkeiten mit dem Sanskrit auf. Wenn man sich nun die Balten näher anschaut, dann erkennt man die große Ähnlichkeiten zwischen ihnen und den Germanen im Aussehen und in der Kultur. Selbst Tacitus wußte nicht, ob er die Aisten (Balten) noch zu den Germanen zählen soll oder nicht. Sicherlich sind bei den Balten noch ein paar nordwestasiatische Einschläge sichtbar, weswegen manche Anthropologen von einer ostbaltischen Ethnie sprechen, die bestimmte physische Merkmale aufweist. Diese Merkmale (breite hohe Wangenknochen, schrägstehende Augen usw.) dürften wie gesagt auf leichte nordwestasiatische Einschläge zurückzuführen sein. Jedenfalls sind die Balten den Germanen in den meisten Dingen so ähnlich, daß man sie schwerlich unterscheiden kann. Ein Unterschied ist eben die Sprache. Es ist eine sehr alte indogermanische Sprache. Das Slawische scheint aus dem Baltischen hervorgegangen zu sein und wurde durch Einfluß der Ostkirche mit vielen griechischen Wörtern durchsetzt (wie auch die deutsche Sprache viele lateinische Bestandteile durch römischen Einfluß aufweist). Durch die baltischen Nachbarn im Westen, die Ostgermanen (Goten, Wandalen usw) kamen schon sehr früh germanische Sprachbestandteile hinzu, die aber in alter Zeit noch nicht allzuweit entfernt vom Baltischen gewesen sein dürften, da ja beide Sprachen dem Indogermanischen entstammen. Wir haben also Balten und Germanen, die waren direkte Nachbarn. Slawen gab es nie. Die slawische Sprachen sind ein baltisch-germanisch-griechisches Gemisch, welches im Laufe der Jahrhunderte seine heutige Eigenart immer mehr entwickelte.
Herder hat sich die ganze Slawentheorie übrigens nicht ausgedacht, sondern es es finden sich schon vor 1790 Werke, welche von Slawen sprechen. So erschien 1762 von Ulmann ein Buch über die Slawen, die er auch "Slawiner" nennt, in Alt-Mähren. Er schreibt darin:
>Der erste Sitz der Slawen unter dem Namen der Möotiden oder Sarmaten ...<
Ulmann ging also davon aus, daß die Slawen identisch mit den Sarmaten seien, welche laut Tacitus östlich der Germanen saßen. Ulmann nennt sie an anderer Stelle auch "Veneden" (Wenden). Er sieht ihren Ursprung am Schwarzen Meer, von dort seien sie dann weiter westwärts gezogen. Er glaubt auch, daß die slawische Sprache aus dem Sarmatischen entstanden sei. Seltsamerweise erinnert diese Darstellung doch sehr an die nordische Yngliga Saga, nach der die Asen einstmals am Schwarzen Meer saßen, dann nach Westen und Norden zogen, unter Leitung Odins, und dort den Asenkult verbreiteten. Interessant ist, daß vom Schwarzen Meer bis zur Elbe die Haplogruppe (Ethnie) R1a am stärksten verbreitet ist und sich auch u. a. in einem großen Teil der nordischen Vikinger wiederfindet. Es liegt daher nahe, daß es sich bei dieser Haplogruppe um die Indogermanen bzw. deren Vorgänger handelt.
Schon 1747 erscheint die Theorie, daß die Slawen Sarmaten seien, in dem Buch "Monathliche Auszüge alter und neuer Gelehrten Sachen" von Ollmütz.
1712 heißt es in dem Buch "Geographie der mitlern Zeiten" von Juncker, daß die "Slaven" ihren Ursprung in Böhmen hätten.
Aber die Slawentheorie reicht noch weiter zurück. Ich schreibe gleich mehr dazu.
In seinem Werk "Monatliche Unterredungen einiger guten Freunde von allerhand Büchern" schreibt der Verleger Johann Friedrich Gleditsch im Jahre 1693 :
>Denn es ist bekant / was das Slavische Volck mit denen Deutschen für schreckliche Kriege geführet ... Daher es kommen, daß man einen leibeigenen Knecht eine Slaven genennet.<
Gleditsch erwähnt auch Rügen und sagt, daß man die Rügener christianiert hätte und die Mönche ihnen ständig etwas von Sankt Veit erzählt hätten. Als nun die Rügener wieder ins Heidentum wechselten, machten sie aus St. Veit den Gott Svantovit. Wir sehen hier, daß es sich also bei dem angeblichen slawischen Gott Swantevit nur um den christliche Heiligen Vitus handelt.
In den Büchern vor dieser Zeit wird meistens von "Wenden" gesprochen, so z. B. bei Spangenberg 1590 und bei Ernst Brotuff 1557. Brotuff schreibt in seinem Werk "Chronica vnd Antiquitates ... der Stadt Marsburg, an der Salah in Obern Sachssen":
>Wilsi oder Vinidi / diese haben zu beiden Ufern der Odera bis an das Meer gewohnet. Item Vandali/Sclaui/Ditzs / seind gemeine Name der Wende an allen Enden ... Diese Wende alle sind in dieselbigen Lande und Örter kommen / da sie die alten Schwaben vertrieben / und das Landt mit gewaltiger Handt eingenommen / und sich weit und fern ausgebreitet haben.<
Das ist hochinteressant, denn es zeigt, daß es sich bei den Wenden/Slawen tatsächlich um die Vandalen handelt, die einstmals an der Oder ihre alten Sitze hatten und sich von dort weiter ausbreiteten. Die Vandalen sind eindeutig Germanen, und somit sind auch die Wenden Germanen. Mit den vertriebenen Schwaben sind übrigens die Sueben gemeint.
zu 1: Man könnte demnach annehmen (?), daß - wie es im "Slawen-Mythos" steht, - das lateinische Wort "Sclavi" im Slawischen bereits vor Jahrhunderten "Szlavi=Slavi" ausgesprochen wurde, weshalb (deutsche) Philosophen Herder, Schlözer usw. das ebenso taten, jedoch die Zusammenhänge absichtlich oder blauäugig vernachlässigten. Dementsprechend ist interessant, daß das Ostgermanische mit dem Skandinavischen-Plattdeutschen-Englischen enger verwandt ist als mit der hochdeutschen Aussprache, da dort auch jeder "Slav" usw. sagt, und sich mindstens in dieser Aussprache u. a. auch erhalten hat. Meiner Meinung nach sind das Ostgermanische und Nordgermanische sehr nah verwandt bzw. usprünglich identisch gewesen. Ist E. Bromme, wie Wikipedia sagt, der erste Kritiker der Slawenlegende?
zu 2: Auch ich neige in diese Richtung, daß ein künstlicher Grundwortschatz in das Ostgermanisch eingebracht wurde. Dieser Grundwortschatz wird wohl ähnlich dem der Geheimsprache der Hildegard v. Bingen gewesen sein. Jedoch stellt sich folgende Frage: Besaß das Ostgermanische die große Beugung der Verben und Substantive, Fälle, Zeiten, usw., wie sie in den slawischen Sprachen heutzutage anzutreffen ist? Manche Dinge (die Zweizahl / Dual) exisitieren heute bei bestimmten slawischen Sprachen und existierten im Altnordischen. Oder war das ostgermanische vergleichsweise "primitiv" wie das Skandinavisch-Englische und wurde den Osteuropäern mühselig erklärt, wie man von nun an in Personen (Endungen ähnlich dem Griechischen), Fällen usw. zu "beugen" hätte? Ich stelle mir bspw. in Bezug auf die Metathesen-Buchstabendreher die Frage, ob diese wirklich künstlich eingebracht wurden. Wenn ich mir den hoch- und niederdeutschen/englischen Sprachwortschatz betrachte, dann fällt mir auf, daß es hier oft von Buchstabendrehern wimmelt (wenn ich mich als Nicht-Linguist nicht irre), zB das Roß - horse, brennen - burn usw.. Dann soll der sog. Vladimir von Nowgorod auf altisländisch nicht Waldemar, sondern Vladimir geheißen haben. Wenn es mehr solcher nordgermanischer Beispiele gibt, dann würde ich sogar behaupten, daß der Weg nicht fern liegt, daß das Nordgermanische und Südgermanische bereits vor 2.000 Jahren soweit auseinanderentwickelt waren, daß das, was als künstliche Metathese bezeichnet wird, eigentlich im Slawischen natürlich und "normal" ist. Ich glaube jedenfalls nicht, daß jemand das Englische-Plattdeutsche vom Hochdeutschen entfremden wollte (?). Wie sehen Sie das?
zu 3: Da gehe ich mit. Trotzdem scheint es einen Unterschied in der Missionierungsart zwischen den bereits christlichen Deutschen-Schweden usw. und den ehem. sclavenischen Osteuropäern gegeben zu haben. Waren die Missionare bei uns nicht der Meinung, daß wir dieselben "heiligen" Wörter, durch die unsere Vorfahren die Messen usw. besser verstehen konnten, lernen sollten wie die Ostgermanen? Oder haben das Englische, Deutsche, Schwedische usw. tatsächlich einen riesen Wortschatz, den wir auch in der Umgangssprache "wie die Slawen" benutzen, den wir nur nicht sehen? War die Ostkirche denn tatsächlich so "dominant", daß sie zwischen dem 9. und 12. Jhdt. (bis in weiten Teilen das Latein als Gottesdienstsprache in Polen usw. eingeführt wurde) weite Teile der ostgermanischen Bevölkerung sprachlich verändern konnte? Danach wurde auf Latein gesprochen und ein Niederschlag läßt sich nachweisen. Oder ist die Slawisierung breiter Bevölkerungsmassen eher ein Ergebnis des 14. bis 16. Jhdt., wie manche meinen?
Frage 4: Die Slawisten sprechen von einer Einwanderung slawischer Stämme bis an die Elbe, was eigentlich abgelehnt wird, da unserer Meinung nach die Germanen sitzenblieben und zB nur den Bevölkerungsüberschuß auf Landsuche bzw. den hunnischen Eroberern Krieger stellten. Es wären auch ziemlich wenige Menschen gewesen, die da aus Osteuropa nach Italien, Spanien usw. gewandert sind, obwohl diese Gebiete stets als bevölkerungsreich angegeben werden. Jedoch könnte ich Deine Antwort so verstehen, daß es tatsächlich eine Westwanderung ostgermanischer-wandalischer-wendische Stämme an die Elbe gab, da die Sueben-Schwaben nun in Südwestdeutschland siedelten bzw. dorthin vertrieben wurden? In welche Zeit wäre das einzuordnen - z. B. in die Zeit des Einfalles der Awaren? War das der Grund des Westdranges der Wandalen-Wenden, oder ein anderer?
Frage 5: Der Sklavenhandel mit Nordeuropäern ist uralt. Wie kam es nun zu der Völkerwanderung, nach der die Slawen angeblich einsickerten? Wieso verließen die Mongolen-Hunnen ihre Heimatgebiete, um sich unendliche Kilometer im Westen "aufzureiben"? Gibt es hier Zusammenhänge, daß der Hunneneinfall kein Zufall war, sondern geplant war? Da besonders Hunnen usw. Soldaten für ihre Kriege brauchten (Germanen für sich kämpfen ließen), aber auch am Sklavenhandel beteiligt waren - gibt es hier Steine, die sich zusammenfügen lassen? Hat das mit dem Sklavenhandel zu tun?
Frage 6: Wir benutzen das Wort Sklave. Am bekanntesten sind die sog. Radhaniten-Sklavenhändler. "Sklave" wird von den Mauren bis Persern als "Saqalabi" (?) bezeichnet. Ist das eine Entlehnung in die semitischen Sprachen oder hatte es hier seinen Ursprung, da semitische-muslimische Völker in dieser Zeit das größte Interesse an Sklaven hatten? Krantz (16. Jhdt.) führt den etymologischen Wortsursprung auf die hebräische Sprache zurück. Was ist hier dran, da ich bisher keine Ausführungen dazu fand?
zu Frage 3: Ich vermute weiterhin, daß Osteuropa dermaßen von Sklavenhändlern, Kreuzzügen usw. im 9.-12. Jhdt. durchzogen wurde, daß die Menschen ihr Heil darin sahen, Christen zu werden und eine andere Sprache zu lernen, an der man sie nicht mehr als ehemals heidnischen und ostgermanisch-sprechenden "Sklaven" erkennen konnte. Was spricht dafür und was dagegen?
Zitat von Randolf im Beitrag #7Jedoch könnte ich Deine Antwort so verstehen, daß es tatsächlich eine Westwanderung ostgermanischer-wandalischer-wendische Stämme an die Elbe gab, da die Sueben-Schwaben nun in Südwestdeutschland siedelten bzw. dorthin vertrieben wurden? In welche Zeit wäre das einzuordnen - z. B. in die Zeit des Einfalles der Awaren? War das der Grund des Westdranges der Wandalen-Wenden, oder ein anderer?
In der 2. Hälfte des 4. Jhs. drängten die vor den Hunnen ausweichenden Goten viele Vandalen nach Westen.
ob Bromme der erste war, weiß ich nicht. Ich kenne Lothar Greill und einige um den Verein für Vor- und Frühgeschichte. Daß das Ostgermanische mit dem Nordischen sehr nah verwandt ist, glaube ich auch und man sieht es ja auch an den Ortsnamen. Als die Varäger-Vikinger Weißrußland besetzten, behielten sie ja ihre nordische Sprache bei, die dortigen Goten sprachen auch Ostgermanisch.
Die Metathesen halte ich für teils natürlich, teils bewußt herbeigeführt, um sich von Westrom und der kath. Kirche abzusetzen. Zu den Beugungsformen kann ich nichts sagen, aber letztendlich wird die Grammatik entscheiden, wieviel original Ostgermanisch und wieviel Griechisch dabei ist. Sollten die grammatikalischen Regeln völlig anders als bei uns sein (und zwar auch schon vor 800 Jahren), dann wird man von einer überwiegenden fremden Sprache ausgehen müssen, und das Ostgermanische wird nur in Resten zu finden sein.
Im Namen "Waldemar" (= berühmter Walter) war im Nordischen keine Drehung, denn es gibt z. B. eine "Valdimars Saga", so daß "Vladimir" in jedem Falle die jüngere, verdrehte Fassung darstellt. Unsere Sprache erklärt den Namen sehr gut noch heute: "Walde" = Walten, "mar" = märenreich, berühmt (wir sagen: "Es geht die Märe (Erzählung, Überlieferung), daß ..." oder im Nibelungenlied "Uns ist in alten maeren wunders vil geseit".)
Da bei uns die Romkirche missionierte, im Osten aber Byzanz und die Ostkirche, sind die Konzepte unterschiedlich. Bei uns gab es zwar die lateinische Messe und Latein als Kirchensprache, doch wurde nie Deutsch verdrängt wie in Frankreich (Gallisch) oder Spanien. Im Osten kam das Byzanz-Griechisch und setzte sich durch - wie stark, müßte noch genauer bestimmt werden. Leider helfen uns die Sprachforscher nicht, da sie ja nie wagen würden, das "Slavische" in Frage zu stellen.
Daß die Eroberungszüge der Hunnen ganze Stämme verschoben und die Völkerwanderung auslösten, ist bekannt. Warum die Hunnen loszogen, wissen wir nicht, doch auch andere gingen auf Eroberungszüge. Machtgier, Suche nach Reichtum, Abenteuer? Wer weiß es.
"Sclaveni" bezeichnete nur Sklavenlande, eigentlich Länder, wo man Kriegsgefangene machte. Also immer ersteinmal Feinde. Als das Christentum kam, brauchte man ein Wort für die Bezeichnung der noch naturreligiösen Menschen. "Heide" - dieses Wort wurde erst im 5. Jh. allgemein gebräuchlich. Man nahm also den Begriff "Sclaveni" für "naturreligiös". Als es endlich das Wort "Heide" gab, behielt man "Sclaveni" aus Gewohnheit bei und deutete es später offenbar anders.
Vielleicht war die Christianisierung der Grund, warum die heidnischen Hunnen gen Westen zogen - immerhin bewirkten sie die Rückkehr zum Heidentum der Ostgermanen, wenn auch nun mit teils hunnisch interpretierten Gottheiten mit vielen Köpfen, wie wir sie aus Indien kennen.
@ Catrin: Hierzu beschäftigen mich zwei Fragen: 1- Als die Hunnen einfielen, wurde ihr Anführer verniedlichend Väterchen=Attila=Etzel genannt. Das macht man ja eigentlich nicht, dem Anführer der schrecklichen Hunnen einen Kosenamen zu geben, oder nicht? Du schriebst auch, daß die germanische Mythologie möglicherweise asiatischen-hunnischen Einfluß hatte (Yngliga Saga). Es gibt noch ein, zwei weitere Hinweise darauf, die ich vergaß, die aber darauf hinweisen, daß die Hunnen im Vergleich zu den Awaren oder Mongolen wohlmöglicherweise von der Geschichte zu negativ gedeutet werden, sondern bei den Germanen einen "guten Eindruck" hinterließen, der auch in der Edda seinen Niederschlag fand. Kann man dann annehmen, daß es sich nicht um eine feindliche Vertreibung der Goten durch die Hunnen handelte, sondern eher um gotische Kriegerscharen, die als Vasallen oder Mitverbündete der Hunnen umliegende Stämme wie die Wandalen abhängig machen sollten?
2 - Bei den Goten, Wandalen usw. gibt es eigene, bzw. griechische-römische oder christliche Geschichtsschreiber, die ihre Wanderungen usw. aufzeichneten. Gibt es denn dann bei den Sueben Auswanderungserzählungen nach SW-Dtld, die vom Einfall der Wandalen berichten, und bei den Elb-Wenden Einwanderungserzählungen, die von der Vertreibung der Sueben erzählen? Oder handelt es sich hierbei nur um eine Theorie?
@Geza 1-Ich bin mir sicher, daß es jemanden im 19. Jhdt. gab - leider las ich vor ein paar Jahren nur seine Kritik in einem Aufsatz und vergaß, mir ihn und die Quelle zu notieren. Ziemlich ärgerlich...
2-In den mittelalterlichen Texten wird eigentlich nie von Dolmetschern usw. berichtet, auch nicht im Waräger-Rus-Svear-Reich (*), wo es eine nordgermanische Oberschicht und eine ostgermanische+__ (?) Unterschicht gab. Ist denn bekannt, ab welcher Zeit in den Urkunden Dolmetscher im ostdeutschen-westslawischen Kreis auftraten? (*) Ich werde nachher noch einen neuen Reiter-Threat eröffnen, da ich Meinungen zu den Bedeutungen von Völkerbezeichnungen neben den bekannten Erklärungen suche, die mich seit längerem beschäftigen.
3-Daß das Gotische zur Zeit Kyrill und Methods nördlich des Schwarzen Meeres im 9. Jhdt. (nach der angeblichen Slawen-Einwanderung) lebendig gewesen sein muß, zeigt sein Wanderungsbericht zu den C/Khasaren, wo er hebräisch, gotisch und khasarisch lernte und dazu noch einen alanisch-gotischen Stamm zum Christentum bekehrte. Laut Kaiser Michael III. sprachen Kyrill und Method, die aus (Thes)Saloniki stammten, reines "s(c)lavisch". Aus welchem ostgermanischen Groß-Stamme (vielleicht mit hunnischen-awarischen-thrakischen Einflüssen) könnten denn diese beiden Herren in Nordgriechenland hervorgegangen sein? Interessant ist, daß hier aus welchen Gründen auch immer zwischen "s(c)lavisch" (was er konnte) und gotisch (was er lernte) unterschieden wird. Wieso könnte das gemacht worden sein?
4-Einen möglichen Hinweis für die Einführung der Metathesen - bspw. ein slawisches Buch wie die Bibel aus dem 15. und eins aus dem 19. Jhdt., wo man eindeutig Änderungen im Schrift- und Sprachbild sehen kann - ist nicht bekannt, oder? Ich werde mal schauen, ob mir jemand einen alten kirchenslawischen Text (bspw. eine Chronik) und deren späteren Nachverbesserungen zeigen kann. Das Kirchenslawische unterlag bekanntlich stetigen Veränderungen und demnach müßte ja etwas nachweisbar sein. Denn eigentlich hatte sich die Ostkirche, die auf Griechisch missionierte, von der Westkirche, die auf Latein missionierte, schon ausreichend genug abgegrenzt, finde ich. Wozu also noch Metathesen, wenn die Missionssprache schon anders genug war?
5-Grammatik Die slawischen Sprachen weisen für jedes Verb 6 Beugungsformen auf, während das Neu-Deutsche 3 (z. B. geh"e", geh"st", geh"t" + Infiniziv) und das Neu-Englische 2 (go"-", go"es") haben. Die slawischen Endungen sind dem Griechischen näher als dem Lateinischen - beide haben stets 6 Beugungsformen. Ich werde schauen, ob ich einen Linguistiker finde, der aus gotischen Texten herauslesen kann, ob die Goten ebenfalls 6 Verbformen besaßen oder nicht. Ich werde mal mit meinem Mitbewohner, der Slawistik als Nebenfach studiert, eine Liste von 1000 wichtigen Wörtern des Grundwortschatzes anlegen und vergleichen, woher welche "slawischen" Wörter kommen könnten. Ich bin mir ziemlich sicher (irren ist menschlich), daß die Suffixe ihren Ursprung im Alt-Griechischen haben, welches über die Jahrhunderte abgeschliffen wurde. (Viele Wortstämme sind schnell als germanisch zu erkennen, wie Sie in Ihrem Buch schreiben - möglicherweise handelt es sich bei den Endungen um bei uns ausgestorbene Suffixe). Auch hier sollte ein Vergleich des Kirchenslawischen mit dem Alt-Griechischen von einem Linguistiker geführt werden... eine Heidenarbeit sicherlich, aber ob das dann auch anerkannt wird?