Im Erzgebirge gibt es zahlreiche Sagen die von Waldgeistern, Waldteufeln, Moosmännchen, wilden Holz - und Buschweibern usw. handeln. Viele davon haben sicherlich auch einen teilweise heidnischen Ursprung. Ein Beispiel (hier ist Wodan als böse dämonisiert aber noch erkennbar):
"Zu den guten Geistern gehören die Buschmütter, die besonders in den Wäldern zwischen Lauterbach, Pockau, Zöblitz, Pobershau und Rittersberg anzutreffen sind. Es sind hilfreiche Wesen. Sie schließen offene Türen, hängen das Vieh an, das sich im Stall losgerissen hat, führen Kinder, die sich im Wald verlaufen haben, zurück und zeigen ihnen vom Waldrand aus das väterliche Haus.
Die Buschmütter haben einen Feind, den wilden Jäger. Das ist ein Geist, der sich in Wind und Wetter wohlfühlt. An stürmischen Tagen und in stürmischen Nächten jagt er auf grauem Roß durch die Luft, gefolgt von wilden Weidgenossen und einer gespenstischen Hundeschar. Er verfolgt und tötet die Buschmütter, wo er nur kann, und dann bleibt für lange Zeit schlechtes Wetter.
Doch die Buschmütter haben eine Möglichkeit, den wilden Jäger zu vertreiben, und zwar dann, wenn es ihnen gelingt, an verschiedenen Stellen des Waldes Feuer zu entfachen. Den aufsteigenden weißen Rauch kann der wilde Jäger gar nicht vertragen. Er muß husten; er glaubt zu ersticken und sucht dann schleunigst das Weite. Schon kurze Zeit später lassen Sturm, Regen, Hagelschlag usw. nach, und die Buschmütter steigen nun selbst triumphierend über den Wäldern auf. Man sagt noch heute in dieser Gegend, wenn die Nebel aufsteigen: Die Buschmütter ziehen auf. "
Das ist ein Beispiel für eine Mythenerzählung, die eine andere Sichtweise auf den Mythos einnimmt bzw. über einen Umweg auf die Verhältnisse in der Gesellschaft verweist. In dieser Mythenerzählung zeigt sich ganz klar ein Geschlechterverhältnis, bei dem das Weibliche die gute Seite einnimmt und das Männliche die bedrohliche Seite. Diese Mythenerzählung scheint eher von Frauen erdichtet worden zu sein. Solche Mythenerzählung erzählen also weniger vom Mythos selbst, sondern mehr von den Menschen und ihren Verhältnissen.
Ich lese gerade das Buch Was unsere Märchen bedeuten. Darin wird auch einiges dazu erklärt.
Hallo, ich habe das Buch über die Märchen auch gelesen. Es ist wirklich sehr aufschlussreich. Das die Geschlechter in der Sage so eindeutig in gut und böse geteilt sind, ist mir gar nicht so aufgefallen. Danke für deine Einschätzung dazu. Viele Grüße aus dem Erzgebirge
Solche (Mythen-)Erzählungen werden ja schon den Kindern bzw. auch im Beisein von jenen erzählt. In diesem Fall wollte man vielleicht den Kindern mitteilen, dass es dort draußen einen furchterregenden Jäger gebe, den aber die Buschmütter zu vertreiben wüssten. Das kann auf ein geschichtliches Ereignis hindeuten, wie bereits im Forum erklärt worden ist. Vielleicht hat es einmal einen Jäger gegeben, der die Leute, besonders Frauen bedroht hat. Es kann aber auch versteckte Kritik grundsätzlich gegen den männlichen Jäger bedeuten, der wild sei, töte und sich offenbar nicht kümmert wie die Buschmütter. Der Mythos wird in so einem Fall benutzt, um etwas anderes zu erklären, und alle verstehen das, weil sie den eigentlichen Mythos kennen. Das Beispiel ist sehr eindrucksvoll, weil es sehr nah dran am eigentlichen Mythos ist. Odin ist klar zu erkennen an den Eigenschaften, aber er ist ausgetauscht worden gegen einen bösen Jäger, dem die guten Buschmütter gegenüber gestellt werden.
Hallo Heidabyr, weitere Sagen mit einem so eindeutigen Bezug zu den heidnischen Göttern habe ich bei uns bisher nicht gefunden. Buschgeister, Waldweiblein und Männlein kommen dagegen öfters vor. Im folgenden Beispiel sagen sie sogar (in Bezug auf den 30jährigen Krieg) die Zukunft voraus:
"Als Kurfürst Johann Georg I im Jahre 1644 um Rabenstein gejagt hatte und am 18. August an Chemnitz vorbeizog, bekam er Nachricht, daß seine Jäger in einer Stallung ein wildes Weiblein gefangen hätten, in menschlicher Gestalt, eine Elle lang, von rauher Haut, doch im Angesicht und an den Fußsohlen glatt. Das fing zu reden an und sagte: "Ich verkündige und bringe den Frieden." Da befahl der Kurfürst, das Wildweiblein laufen zu lassen, und sagte: "Wir erinnern uns, als wir vor fünfundzwanzig Jahren auf den Lautersteinischen und Crottenndörfischen Wäldern jagten, daß wir ein solch Männchen gefangen, das uns kündete: "Ich bringe euch Krieg."
ich glaube auch an die >kleinen Wesen<. Ich nenne sie Zwerge und Kobolde. Sie stehen doch auch in Zusammenhang mit den Göttern. Ich glaube sogar an Riesen. Doch auf einer Jagd einen von jenen zu fangen würde ich mir nicht zutrauen. :) Schön zu hören, dass Ihr noch all solche Sagen habt. In meinem Umkreis hat sich nicht so etwas erhalten. Meine Mutter hat mir die Märchen aus Grimms Sammlung vorgelesen, und darauf hat sie einen großen Wert gelegt...
Hallo, Grimms Märchen haben wir als Kinder auch gelesen. Sagen gibt es hier in fast jedem Dorf gleich mehrere. Ich suche bei Gelegenheit nochmal nach solchen, die einen Bezug zu Zwergen und anderen kleinen Wesen haben. Es gibt hier natürlich auch viele Sagen vom Berggeist, aber die sind sicherlich weniger von Interesse oder?
Nur wenn es keine Mühe bereitet. Ich hätte nichts dagegen. Doch es sollten besser Sagen sein, die nahe am Mythos dran sind. Die Sage von dem Jäger und den Buschmüttern ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine Mythenerzählung, die den Mythos abgewandelt hat.
Hallo, Sagen die nahe an der germanischen Mythologie sind, findet man bei uns offenbar selten. Meistens geht es um entweder neckende oder hilfreiche Geister. Hier und da treten auch Erscheinungen und Gestalten auf, durch die die Menschen in die Irre geführt werden.
Hallo Geza, ich suche demnächst gerne mal ein paar Sagen aus unserer Region heraus und stelle sie hier ein. Die "weiße Frau " kommt z.B. sehr häufig vor. Über die "wilde Jagd" findet sich sicher auch noch was. Frau Holle ist mir dagegen aus erzgebirgischen Sagen bisher nicht bekannt.
Hallo Catrin, Vor ein paar Jahren haben wir einen Kurzurlaub rund um Eisenach gemacht. Es gibt dort, gleich neben der A4, einen Frau Holle Berg. Dort liegt auch die aus "Tannhäuser" bekannte Höhle.
Hallo, so, ich habe nochmal einige Sagen durchgeforstet. Also das "Wilde Heer" bzw. die "wilden Jäger" habe ich jetzt noch siebenmal gefunden, zur "weißen Frau/den weißen Frauen" auf die Schnelle viele weitere Sagen. Diese lassen sich allerdings nur schwer deuten/mit der mythologischen Überlieferung vergleichen.
So z.B.: "Ein Knabe aus dem sächsischen Grenzorte Rothenthal spielte eben die Violine, als die weiße Frau aus dem Felsen trat und ihn aufforderte, ihr etwas vorzuspielen. Furchtlos überschritt er den Grenzbach und spielte der Frau seine schönsten Melodien vor, in der Meinung, von ihr reich belohnt zu werden. Als eine halbe Stunde vergangen war, nahm ihn aber die Frau nicht, wie er vermutet hatte, mit in den Berg, sondern füllte nur seinen Geigenkasten mit Laub. Ärgerlich warf er es fort und lief nachhause. Dort sah er noch einmal in dem Kasten nach und fand drei Taler darin. Eilends kehrte er zurück, fand aber weder die Frau noch das weggeworfene Laub."
Ich war in den Thüringer Hörselbergen und habe dort auch das Hörselloch besucht. Von dieser Gegend gibt es viele Sagen; es ist eine alte Holle-Kultstätte. Meine Großmutter stammt aus dem sächsischen Vogtlande; dort kennt man die Holle als Frau Berthe.
Die "weiße Frau" in der Sage mit dem Geiger ist sicher eine Göttin, vielleicht Freyja (Frowa, Liuba). Aber früher hatte man auch oft Lokalgottheiten verehrt, die also nur für einen bestimmten Landstrich zuständig waren, ähnlich den Matronen. Solche Gottheiten oder wichtigen Geistwesen gibt es auch heute noch, nur gibt es keine Menschen mehr, die sie sehen könnn oder von ihnen ihre Namen erfahren könnten.
Hallo Catrin, ja, die Hörselberge hatte ich auch gemeint. Interessant auch das Frau Holle im Vogtland Frau Berthe genannt wird. Habe ich so auch noch nie gehört.
Hallo Geza, danke für Deine Einschätzung der Sage. Denkst Du wirklich, daß es keine Menschen mehr gibt, die fähig sind mit Gottheiten oder Geistern in Verbindung zu treten? Oder habe ich Dich falsch verstanden?
Hier noch eine ähnliche Sage von der Burgruine Lauterstein:
"Einst hütete ein junger Hirte aus Lauterbach seine magere Herde bei der Ruine Lauterstein und legte sich auf den weichen, warmen Rasen, um sich zu sonnen. Schon wollte er zu Mittag eintreiben, als er ein Geräusch hinter sich hörte. Er sah sich um und erblickte eine Jungfrau, groß und stark, in einer Kleidung, wie sie sonst niemand trug. Dieselbe war beschäftigt, Laub zusammenzurechnen. Freundlich kam sie auf den Hirten zu, steckte ihm alle Taschen voll Laub und verschwand, als er sich nach ihr umsah. Voll Verwunderung und innerem grauen trieb der Knabe seine Herde eilig nachhause. Hier erzählte er bei Tische von der Erscheinung, griff in die Tasche nach dem Laube und zeigte es vor. Welch Wunder! Die Blätter hatten sich in Gold verwandelt. Noch am selben Tage gingen seine Leute in die Gegend der Ruine, um Laub zu rechnen. Sie brachten ganze Säcke davon nachhause, aber es war und blieb Laub. Der Hirtenknabe kaufte später das Lehngericht in Lauterbach; aber die goldspendende Jungfrau hat er nie wieder gesehen."
Die Sagen können dazu dienen, den Göttern zu begegnen, bzw. wenn man diese Sagen liest, in denen Götter auftauchen, sieht man sie in seinen Vorstellungen. Spätestens dann erscheinen sie einem, weil man über sie liest. Lesen ist sehr wundervoll. :)
Hallo Heidabyr, ja, da hast du wirklich recht. Hier noch etwas zu den Hausgeistern: "Heugütel. Es gibt auch Spukgestalten, die den Erzgebirgern lieb und willkommen sind - die Heugütel, kleine Menschlein, nackt und bloß, die auf Heuböden hausen. Deshalb knistert und raschelt es dort oben auch immerfort. Vor allem in der Gegend von Johanngeorgendtadt und Rittersgrün waren sie vor Zeiten sehr verbreitet und machten sich in den Häusern nützlich. Hast du ein Heugütel unterm Dach, so sorgt es, dass kein Feuer ausbricht, kein Viehfutter verdirbt und die Milch im Wassertrog schön kühl bleibt und nicht säuert. Auch behütet es die kleinen Kinder. Lacht ein kleines Kind im Schlaf, dann spielt das Heugütel mit ihm, und sie haben Spaß miteinander. Nur ist das Heugütel recht scheu und will nicht beobachtet werden. Steigt ihm einer nach, und sei es in der freundlichsten Absicht, verlässt es das Haus und nimmt das Glück mit."
Hallo, hier etwas über Zwerge: "Im Gaschraume bei Bärenstein wohnten einst Zwerge, die noch um 1850 von mehreren Leuten gesehen worden sind."
Und Nixen: "Auf den Weißeritzwiesen des Erbgerichtes von Hennersdorf befindet sich der Nixenstumpf. Hier sollen einst Nixen gewohnt haben. Sie sind auch oft nach den benachbarten Orten zur Tanzmusik gekommen und waren an den nassen Säumen ihrer Kleidung kenntlich. Vor Mitternacht entflohen sie stets, um rechtzeitig nach dem Teiche zurückzukommen."
Beide Sagen wurden noch in den 1940er Jahren von vielen Leuten als tatsächliche Geschehnisse angenommen!