Unter diesem Titel gab es eine fünfteilige Serie im Arte-Programm. Ich habe nur die letzte Folge gesehen, in der ein Isländer die germanische Schöpfungsmythologie erklärte. Dabei machte er zwei Fehler, die auch von Neoheiden oft gemacht werden:

Buri wurde als Riese bezeichnet. Es gibt allerdings in den Eddas nirgends einen Hinweis, daß Buri (Odins irdischer Großvater) ein Riese sei. Es heißt im Gylfaginning Kap. 6: >Sie [die Kuh Audhumbla] beleckte die Eisblöcke, die salzig waren, und den ersten Tag, da sie die Steine beleckte, kam aus den Steinen am Abend Menschenhaar [mannshár] hervor, den andern Tag eines Mannes Haupt [mannshöfud], den dritten Tag war es ein ganzer Mann [madur], der hieß Buri.<
Drei Mal wird hier also auf einen "Mann" oder "Mensch" (beide Begriffe sind identisch) hingewiesen, nirgends auf einen Riesen (Thursen oder Jötun). Auch in den Nefnathulur der Jüngeren Edda, wo es lange Aufzählverse von Namen der Riesen gibt, sucht man den Namen "Buri" vergeblich. Entscheidend ist, daß nach germanischen Vorstellungen der Nachkomme dem Stand des Vaters entspricht: Ist der Vater ein Riese, dann ist auch der Sohn ein Riese. Odinn könnte also kein Gott sein, wäre sein Großvater ein Riese.
Ich habe den Verdacht, daß einige neoheidnische Satanisten Odinn gerne zu einem Riesen machen würden und deswegen ist es wichtig, dem entgegenzutreten. Richtig ist aber, daß Odins Mutter Bestla riesischer Abstammung ist. Dies zählte aber nach germanischem Recht nicht. Der Stand und die Abstammung richtet sich allein nach dem Vater.

Der zweite Fehler: Die ersten Menschen wurden aus zwei Bäumen, Askr und Embla geschaffen. Das wurde in der Sendung mit "Esche" und "Ulme" übersetzt. Die Übersetzung von "Embla" mit "Ulme" ist lange überholt und wissenschaftlich falsch."Ulme" ist Lehnwort aus dem Lateinischen (ulmus); die germanische Bezeichnung lautete althochdt. "elm(boum)". Der Stand der Forschung geht heute davon aus, daß "Embla" mit der Bezeichnung griechisch "ámpelos" (Rebe, Schlingpflanze) verwandt ist und somit "Ranke" bedeutet (Simek Lexikon S. 84).
Das ist insofern wichtig, als sich nach der Völuspá zwei Menschen im Stamme der Weltesche verbergen werden, von denen nach dem Ragnarök das neue Menschengeschlecht stammt. Da ist es also nur ein Baum, von dem beide Menschen, Mann und Weib, stammen. Und das entspricht der Schöpfung, wo es eben auch nur ein Baum ist, aus dem beide Menschen geschaffen werden, eine Esche von einer Ranke umgeben. Und das erklärt auch den immergrünen Baum von Upsala, den Adam von Bremen beschrieb, und von dem niemand wußte, welcher Art er war. Denn eine Esche oder Ulme, Eibe oder Eiche hätte man erkannt, eine völlig von einer Ranke umwachsene Esche aber konnte man nicht leicht erkennen und bestimmen (zumal nicht Jeder an den heiligen Baum treten durfte), und da die Ranke auch im Winter ihre Blätter behält, ist dieses Gebilde immergrün, wie von Adam von Bremen beschrieben. Die die Esche umgebende Ranke erinnert an miteinander verschlungene Liebende und ist ein viel überzeugenderes Bild für Mann und Weib. Und auch bei den Griechen wird das 3. Menschengeschlecht aus einer Esche (der Manna-Esche) geschaffen, nicht aus zwei Bäumen oder gar einer Ulme oder Erle.

Lichtgruß
Geza

Diese Theorie stammt von Rudolf Much (1872-1936) und scheint mir recht unglaubwürdig. Warum sollte ein männlicher König Ambri nach einem weiblichen Holzidol benannt sein? Warum sollten zwei Könige sich die Namen zweier Holzfiguren geben? Den mit der weiblichen Figur hätte man doch nur verspottet als "argr". Auch der Begriff, auf den Much "Embla" zurückführt, lautet *Ambrilo und ist lediglich eine erschlossene (= vermutete) Form.

Geza

Diese beiden Könige kommen bei Dio Cassius (71, 12) vor, doch heißen sie dort "Raus" und "Raptos", bei Paulus Diaconus dann Ambri und Assi.
Paulus Diaconus erzählt von tatsächlichen Königen, den langobardischen Heerführern Ibor und Aio die gegen die Wandalen unter Ambri und Assi kämpften. Bei Saxo heißen die Langobardenanführer Ebbo und Aggo. Die Angelsachsen standen unter der Herrschaft von Hengist und Horsa, und auch die Haddingjar oder Hartunge wurden von zwei Königen angeführt oder die Goten: Erpamara und Fridigernus, die beiden Neffen Ermanriks hießen Embrica (oder Imbrecke) und Fritla; hinter Embrica/Imbrecke sieht man einen ähnlichen Namen wie Ambri. Zwei Brüder, Sarus und Ammius töteten König Ermanarik, um ihre Schwester Sunilda zu rächen, im Norden heißen sie Sörli, Hamdir und Svanhildr, in den Ynglingatal kommen auch Brüderherrscher vor, Alrekr und Eirekr sowie Álfr und Yngvi.
Zwei Brüder als Könige waren also häufiger und sind deswegen nicht rein mythische Personen. Daß die Namen Bezüge zur Mythologie haben, gilt ja für die meisten germanischen Namen.
Was sagt Jan de Vries? (§ 578): >Die Gleichsetzung von Askr-Embla mit Assi und Ambri ist auf den ersten Blick vielleicht bestechend, aber führt uns nicht weiter.<
Ich denke auch bei Namen wie Assi an die Asen, da das End-i auch ein e sein kann. Aber selbst wenn beide Namen kultische Namen für hölzerne Götterbilder wären, so haben sie deswegen noch lange nichts mit Askr und Embla, den ersten Menschen zu tun. Aber selbst wenn man sie damit in Verbindung bringen wollte, so belegt die Form "Ambri" für "Embla" doch die Schreibweise mit anlautendem A und steht damit der Deutung von ámpelos näher, als irgendeiner Form mit dem E wie "elmboum". Das stützt die Deutung von Embla als "Schlingpflanze".

Lichtgruß
Geza